Enten gibt es viele, am Po, am Rhein, am Nile. Große und kleine, so schmackhafte wie die Peking- bzw. Sezuan-Ente und alte, zähe wie die “Ente per il turismo sardo”, kurz ESIT genannt. Die Krönung aller Enten aber scheint mir die Zeitungsente zu sein.

Auch die ist genießbar. Man muss nur richtig damit umgehen.

Es ist keine Ente, dass in Italien Behörden und Institute des öffentlichen Rechts “Ente” heißen. Die größte der Tourismus-Enten zum Beispiel ist die ENIT. Das steht für “Ente Nationale Industrie Turistiche” und ist das Pendant unserer “Deutsche Zentrale Tourismus”. ESIT* hingegen ist die sardische, zur ENIT gehörende Unter-Ente. Damit ist sie mit dem Fremdenverkehrsverband eines Bundeslandes vergleichbar.

Ich kann mir nicht helfen: Mit “Ente” assoziiere ich spontan “lahm”, und damit schiebe ich die ehrenwerte ESIT in die mit Vorurteilen prall gefüllte Schublade “Behörde”. Ob zu Recht oder nicht, muss hier nicht untersucht werden. Entscheidend ist, dass die ESIT bei der Namenswahl nicht auf fremdsprachige Ressentiments Rücksicht nehmen kann. Es reicht, wenn die Namensgebung innersprachig stimmig ist. Diesen Anspruch erfüllt die Sardenente voll und ganz.

Was aber haben sich deutsche Taufpaten bei “Fremdenverkehr” gedacht? Wie soll ein italienischer Tourist das verstehen? Welche Abgründe an Schubladen tun sich da auf! Muss er es nicht als tiefen Eingriff in die Privatsphäre empfinden, dass bei uns der “Verkehr” mit “Fremden” behördlich reguliert werden soll? Gibt es keine korrekte, unmissverständliche Bezeichnung??

Gerade haben wir unsere Sprache von diskriminierenden Vokabeln entschlackt, vermeiden Wörter wie „Zigeuner“ oder „Neger“,  schreiben korrekt „Bürger-innen“ oder „Wähler-innen“, und dann das:

Fremdenverkehr!“

Da lobe ich mir doch die italienischen Enten: Bei denen sind Urlauber nicht “Fremde”, sondern “turisti”. Einfacher, treffender und korrekter geht es nicht, oder?

Es warten noch so viele deutsche Vokabeln auf Entideologisierung: Wer in Italien ein Auto fahren will, braucht dazu die „patente di guida“, bei uns hingegen den „Führerschein!“ Noch immer. Selbst im 21. Jahrhundert!

Nun aber zur Zeitungsente: Es ist für mich immer wieder ein Vergnügen, die beiden ursardischen Blätter “Unione Sarda” und “La Nuova Sardegna” zu lesen. Ich werde in diesem Blog öfter darüber berichten; denn neben vielen interessanten Einblicken in das sardische Leben erfreuen sich in beiden Blättern die Zeitungsenten großer Beliebtheit.

Einen echten Südländer stören solche Enten nicht. Es komme ja, erklären mir meine sardischen Freunde, nicht unbedingt darauf an, dass alles exakt so gewesen ist, wie es in der Zeitung steht. „Warum denn auch? Es hätte doch so sein können. Wer will das schon so genau wissen?“

Das macht mich sprachlos. Wie steht es mit der journalistischen Sorgfalts- und Wahrheitspflicht? Warum steht die nicht über allem? Hier die Antwort:

Wichtiger als das “Was” ist in südlichen Ländern das “Wie”! Allein die Story ist wichtig!

Hier erleben wir die von uns so innig geliebte mediterrane Leichtigkeit des Seins: Wundern wir uns nicht, wenn in Budonis Bars und Restaurants gerockt wird, dass man sein eigenes Wort nicht versteht? Dass überall gestikuliert, diskutiert und gelacht wird? Dass der Fernseher zwar immer läuft, aber – Fußball ausgenommen – nur ein klägliches Statistendasein führt? Warum ist alles so anders als bei uns? Wiederum ist die Antwort von bestechender Schlichtheit:

Südländer praktizieren Unterhaltung als Unterhaltung und unterhalten sich. – Aha! Wie das?

Weil sie sich eben “unterhalten” wollen. Basta! Sonst gar nichts. Ein italienisches Sprichwort bringt es auf den Punkt:  “Se non è vero è almeno ben trovato.”  Was so viel heißt wie: Wenn´s auch nicht wahr ist, so ist es doch immerhin eine nette, unterhaltsame Story.

Der Unterhaltungswert ist das Maß aller Dinge!

Und das, damit schließt sich der Bogen, ist die Daseinsberechtigung für die Zeitungsente. Ich werde regelmäßig in den Blättern stöbern und berichten, welche Enten in Sardinien die Runde machen.

Mit einem sardischen „Adiosu“ verabschiedet sich für heute

Joachim Waßmann

Keine Ente aus Entenhausen: Wie in Sardinien fremden-verkehrt wird, zeigt die sardische Ente auf der Homepage des sardischen Tourismusverbandes.