Sie leben nämlich länger. Nirgendwo sonst auf der Welt, heißt es, gibt es prozentual so viele Hundertjährige wie auf Sardinien. Bemerkenswert daran ist, dass sich die Lebenserwartung von Männlein und Weiblein auf Sardinien nicht signifikant unterscheidet. Gute Ernährung wird bei diesem Rekord sicher eine Rolle spielen. Obwohl: Das Allheilmittel „Fisch“, der mehrfach ungesättigten Fettsäuren wegen als das Non-plus-ultra hochgelobt, spielte in der sardischen Tradition keine Rolle. Die Sarden sind zwar ein Inselvolk, haben aber eine tief sitzende Antipathie gegen das Meer.

Über das Meer kamen die diversen Eroberer, und in den Sümpfen im Küstenbereich herrschte die Malaria-Mücke. „Alles Übel kommt über das Meer“ heißt darum ein sardisches Sprichwort. Fisch ist erst seit gut einem halben Jahrhundert originärer Bestandteil der einheimischen Küche. Die Sarden lebten all die Zeit zurückgezogen im Landesinneren und konnten so ihre archaischen Gebräuche auch und besonders in der Ernährung konservieren.

Die Dominanz der „Cucina di Terra“
… ist für eine Insel ungewöhnlich. Es war aber die Vieh-, und nicht die Fischwirtschaft, die Sardinien und seine Essgewohnheiten geprägt hat. Sie greift auf die Zutaten zurück, die selbst erzeugt wurden und nicht gekauft werden mussten.  Bis in die Mitte des vorigen Jahrhunderts standen den Hirten auch keine Autos zur Verfügung. Haltbarkeit spielte darum eine große Rolle; denn in den abgelegenen Weidegründen gab es weder Supermarkt noch Brötchenservice. Das sardische Fladenbrot „pane carasau“ und der Schafskäse „pecorino“ sind die bekanntesten Vertreter dieser Küche.  Einheimische Milch- und Getreideprodukte, Schaf, Schwein, Wild, Geflügel, landestypisches Obst, Gemüse, Kräuter und Honig prägen die sardische Kochkunst.  Um all das hat sich eine Kochkultur entwickelt, die mit wenigen Zutaten beeindruckend vielfältig „jongliert“. Was in Sardinien auf den Tisch kommt, ist von so guter Qualität, dass kompliziertes Würzen überflüssig ist. Salz und ein paar Kräuter der Landschaft reichen, um ein sardisches Mahl auf das Feinste abzurunden.

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Die sardische Küche in Zeiten der Globalisierung
… hat die „cucina di mare“ entdeckt und auf ein hohes Niveau gebracht. Auch hat die italienische Küche mit Pizza und Pasta ihren Siegeszug über die Insel angetreten. Chinesen, Türken, Franzosen und andere in Mitteleuropa heimische Kochkünstler muss man jedoch – vorläufig noch – mit der Lupe suchen. Wir verzichten an dieser Stelle darauf, die vielfältigen Gerichte aufzuzählen, die die sardische Küche so einzigartig in der Familie der mediterranen Küche gemacht hat. Freuen Sie sich darauf, in Sardinien Lebensmittel einzukaufen und zu kochen. Die Qualität der angebotenen Waren liegt deutlich über deutschem Durchschnitt. Sarden sind halt wählerisch: Was nicht frisch ist und nicht von der eigenen Insel stammt, findet selten den Weg in den heimischen Kochtopf. Und in Sardinien gibt es kaum massenproduzierte Lebensmittel.

Mit einem sardischen “Adiosu” verabschiedet sich für heute

Joachim Waßmann

Als vor 2 Jahren im Nachbarort Brunella Nonna Antonia (Oma Antonia) 100 Jahre alt wurde, gratulierte auch das sardische Fernsehen. Dabei soll es, versichern mir Freunde, zu diesem Wortwechsel gekommen sein:

„Antonia, warst Du nie krank in Deinem Leben?“ – „Doch, aber da haben mir immer spezielle Hausmittel geholfen.“ – „Hausmittel? Welche denn?“ -„Wenn ich schlechte Verdauung habe, trinke ich ein warmes Ichnusa, habe ich keinen Appetit, hilft ein Gläschen Weißwein, stimmt der Blutdruck nicht, trinke ich Rotwein, wenn ich erkältet bin, hilft Grappa mit Honig, und bei Kratzen im Hals trinke ich einen Mirto.

Frage des Reporters: „Trinkst Du auch mal Wasser?“

„Nein, so krank war ich noch nie!“

Eine nette Geschichte! Und wenn sie nicht wahr ist, ist sie wenigstens gut erfunden.