Immer wieder Sardinien, immer wieder Budoni

Als ich mir 1974 ein Haus in Budoni kaufte, stieß das bei meinen Freunden auf Unverständnis. Costa Smeralda und Porto Cervo, ja, das könne man sich vorstellen. Aber ein „Kaff“ wie Budoni???

Tatsächlich kam Budoni in dieser Zeit in manchen Reiseführern nicht besonders gut weg, und da lag es nahe, mich damit zu foppen, in einem „tristen Straßendorf“ (O-Ton in einem Reiseführer von 1980) zu residieren statt im eleganten Porto Cervo.  Stimmte ja auch, aber Vieles ist einfach eine Frage des Stils und … der Finanzen. Hätte ich das renovierungsbedürftige Hirtenhaus, das ich damals in Budoni kaufte, stattdessen in Porto Cervo gesucht, dann hätte das meine Möglichkeiten bei weitem überstiegen. Außerdem hätte mich jede Pizza ein Vielfaches gekostet, und in Geschäften und Restaurants hätte man mich auf Englisch angeredet. Das wäre zwar eine Erleichterung gewesen, aber nicht „mein Sardinien“!

Ich musste kostenbewusst agieren, und da passte es gut, ein Faible für ursprünglich und unverfälscht zu pflegen. Das verklickerte ich meinen Freunden und fand Zustimmung, weil alle wohl einen ähnlich schlappen Geldbeutel hatten wie ich. Jedenfalls gaben sie sich den Anschein.

Um allen Kostenfallen ein Schnippchen zu schlagen, hatte ich die nördlich gelegenen Tourismus-Hochburgen rechts liegen gelassen, als ich 1971 das allererste Mal in Olbia an Land ging. Stattdessen hatte ich mich südwärts der Ostküste zugewandt. Damals war ich eine richtige Wasserratte und wollte nichts anderes als schnorcheln, tauchen und schwimmen. Dazu passte natürlich nur ein Haus unmittelbar am Strand. Also tuckelte ich mit meinem 57-er Käfer von Ort zu Ort und suchte nach einer billigen Bleibe. So kam ich nach Budoni; denn erst dort fand ich Passendes, und hier mietete ich mich keine 50 Meter vom Meer entfernt bei Salvatore ein. Der hatte eine ehemalige Polizeiwache zu Wohnungen umfunktioniert, die alleruntersten Standard und noch ein wenig weniger boten, aber halt direkt am „schönsten Strand Sardiniens“ lagen. So verbrachte ich hier meinen ersten Ferienhausurlaub im Kreise sardischer Nachbarn, genoss es, mit ihnen zu palavern, zu tafeln und das eine oder andere Gläschen Wein zu viel zu trinken.

Die verbleibende Restzeit verbrachte ich über und unter Wasser. Für die Sarden war ich als Deutscher ein echter Exot. Aber man schätzte es, dass ich Budoni den Vorzug gegeben hatte, und darum wurde ich mit allem möglichen, besonders aber mit Gastfreundschaft überschüttet. So etwas kannte ich bis dato nicht. Weder in Jugoslawien, noch in Spanien noch irgendwo sonst war ich jemals auch nur annähernd so herzlich, so gastfreundschaftlich aufgenommen worden. Ich fühlte mich pudelwohl und war froh, auf die Annehmlichkeiten eines gut geführten Ferienortes wie Porto Cervo oder San Teodoro verzichtet und Budoni den Vorzug gegeben zu haben. Natürlich musste ich Salvatores Feriengästen versprechen, im nächsten Jahr wiederzukommen, und das tat ich denn auch, weil mich der Budoni-Bazillus gepackt hatte. Das Meer, der Strand, mein Wirt und seine Gäste: All das war mir so ans Herz gewachsen, dass ich meine Gewohnheit aufgab, jedes Jahr woanders hinfahren zu wollen. Nicht nur das. Ich wollte in Budoni eine feste Bleibe haben, und so kam ich auf die Idee, hier ein Hirtenhaus zu kaufen.

Ich habe es niemals auch nur eine Sekunde bereut, auch wenn „mein“ rückständiges Budoni nun zu einem schnuckeligen Badeort geworden ist. Budoni hat in den letzten Jahren nämlich richtig Gas gegeben und aufgeschlossen zu seinen Nachbarorten San Teodoro und Posada. Es hat sich zum Positiven gewandelt, wie meine Freunde urteilen. Das stimmt, hat aber simple Ursachen: Budoni ist sich treu geblieben, hat sich nicht dem Tourismus ausgeliefert und im Rahmen der touristischen Entwicklung nicht die typischen Bausünden begangen, wie man sie von anderswo kennt: Es gibt keine vielstöckigen Hotelanlagen, keine Bettenburgen und keine zubetonierten Strände! Im Hinterland des Strandes findet man nicht etwa Souvenirshops, Bars und Boutiquen, sondern friedlich im Brackwasser fischende Flamingos.

Budoni „touristet“ sanft im Einklang mit der Natur, sorgt aber auch dafür, dass seine Feriengäste jede Form von Unterhaltung und Entspannung finden. Mir aber sind bis heute meine Freunde von gestern nicht abhanden gekommen.

Und darum würde ich heute die gleiche Entscheidung wie damals treffen: Budoni forever!

Mit einem sardischen “Adiosu” verabschiedet sich für heute

Joachim Waßmann