…lässt die Herzen der Liebhaber historischer Züge höherschlagen. Ich kenne Gäste, die nur der Eisenbahnromantik wegen ihr Sardafit-Ferienhaus gebucht haben und dann überrascht feststellen mussten, dass Sardiniens Strände an Reizen ihrem Liebling in nichts nachstehen.

Dabei ist das Los der sardischen Schmalspurbahnen alles andere als vielversprechend.

Schon die Geschichte ist zweischneidig. Sie beginnt 1863 damit, dass der italienische König Viktor Emanuel – bis 1861 „nur“ König von Sardinien-Piemont – seine rückständige Insel zu erschließen beschloss. Bis dato gab es auf Sardinien nichts, das man „Verkehrsweg“ hätte nennen können. Die Ortschaften der Barbagia waren im zerklüfteten Bergland so gut wie unerreichbar. Der Austausch selbst unter Nachbarorten wie Oliena und Orgosolo war der schlechten Erreichbarkeit wegen minimal. (Hier liegt eine Ursache dafür, dass in Sardinien bis heute eine Sprache überlebt hat, die dem antiken Latein sehr ähnlich ist. Ganz ähnlich ist es mit anderen Isolaten, etwa dem Rätoromanischen in der Schweiz.)

Um die wirtschaftliche Entwicklung der Insel zu begünstigen, vergab der König daher an englische Unternehmen die Konzession zum Bau von Eisenbahnlinien. Verbunden damit war die Erlaubnis, zweihunderttausend Hektar Wald abzuholzen. Es war nicht der erste Kahlschlag, den Sardiniens Wälder dezimierte, aber der wohl bedeutendste. Die Folgen sind inselweit noch heute sichtbar.

1880 wurde die Hauptachse fertiggestellt. Sie reichte von Cagliari im Süden bis nach Porto Torres im Norden und bewährte sich als sinnvolle Investition. Die abgelegenen Orte der Barbagia und Ogliastra konnten davon aber erst profitieren, als im Jahr 1885 die Lizenz für die Entwicklung der Nebenrouten vergeben wurde. Der Bau dieser Linien erfolgte auf ausschließliches Risiko der Investoren, und die kamen nicht aus Sardinien, sondern aus Norditalien und dem Ausland.

Man mag sich fragen, welches Interesse man am Anschluss von Ortschaften hatte, die nichts zu bieten hatten, die zu erreichen aber den Bau von zahllosen Brücken und Tunnel erforderte. Einmal mehr also hielt man sich an den natürlichen Ressourcen der Insel schadlos, und so wurde weiter abgeholzt. Dieses Mal, um neben anderen Produkten Holzkohle zu produzieren. Die Natur litt, aber die Menschen konnten sich freuen, Arbeit zu finden und nicht mehr von Gott und Welt abgeschnitten zu sein.
Die Eisenbahn mit der ungewöhnlichen Spurweite (95 – 98 cm) rollt auch heute noch auf mehreren Routen. Die ruß-schleudernden Dampfrösser wurden weitgehend durch umweltfreundlichere Antriebe ersetzt. An den Gleisen, den Brücken und Tunneln aber nagt unübersehbar der Zahn der Zeit. Es stehen kostenträchtige Renovierungen an, die einen wirtschaftlichen Betrieb der Strecken nicht zulassen.

Wie nicht anders zu erwarten, fiel im Juni 2016 die mit knapp 160 Kilometern längste Strecke Mandas-Arbatax beim „Stresstest“ durch. Dem schönsten Abschnitt von Seui nach Arbatax wurde die Lizenz entzogen. Stillstand! Der Aufschrei war groß. Die Beteiligten (Regierung, Bahnbetreiber, Gemeinden) schoben sich gegenseitig die Schuld für Versäumtes in die Schuhe. Ob er wieder aufgenommen wird? Wer wird Geld in ein Fass ohne Boden werfen? Nicht viel besser sieht es auf den anderen Routen aus:

Von der einstigen Hauptachse Cagliari Porto Torres sind nur noch 83 Kilometer übrig geblieben, und die werden nur noch sporadisch für Touristen befahren.

Auch nur noch für Touristen rollt die Bahn nach mehreren Pleiten und Pannen auf der Strecke Macomer-Bosa, hier sogar nur noch an den Wochenenden.

Die pittoreske Bahnstrecke Sassari-Palau schließlich bediente Touristen auf Teilstücken noch bis 2014, danach wurde mangels Masse die Stilllegung beantragt. Wegen der großen Bedeutung für den Tourismus besann man sich aber und nahm ab 2015 den Betrieb wieder auf, auch weil Kreuzfahrer wie die Aida ihren Gästen diese Attraktion auf Landausflügen anboten.

Wie es weitergeht? Ich bin da eher skeptisch. Ich räume dem Trenino Verde keine langfristige Überlebenschance ein. Er wird wohl bald Geschichte sein, wie Vieles vor und Manches nach ihm. C‘ é la vie!

Wer sich das unvergessliche Erlebnis „Trenino Verde“ noch gönnen will, sollte sich daher beeilen.

Mit einem sardischen “Adiosu” verabschiedet sich für heute

Joachim Waßmann