Wer sich heutzutage nach Sardinien aufmacht, hat es gut: An den PC setzen, ein wenig googeln, und schwupp hat man die ganze Palette an Fliegern und Fähren auf dem Schirm! Dann bucht man locker und hat sein Ticket im Sack. Aber … das war schon einmal anders. Als ich in den Sechzigern des letzten Jahrhunderts das erste Mal Sardinien ansteuerte, gab es überhaupt nur die staatliche Eisenbahnfähre „FS“, um zu verträglichen Preisen nach Sardinien zu gelangen.  Die „FS“ erfüllte den damals noch staatlichen Beförderungsauftrag und verschluckte ganze Züge und überladene LKWs in ihrem Bauch.  Ein lauter, unsympathischer, aber unumgänglicher Weg!

Da hatte ich mit meinem Uralt-Diesel-Daimler auch noch Platz. Das Ticket kostete so um die 400 DM und bot außer der nackten Beförderung so gut wie nichts. Das Innere des Dampfers bestand überwiegend aus mit Ölfarbe gestrichenen Stahlplanken, rostig, unansehnlich. Überall dieser eigentümliche Geruch aus Schiffsdiesel, Abgasen und abgestandenem Meerwasser. Hätten wir uns eine Kabine leisten können, wären die Männlein und Weiblein unserer Gruppe fein säuberlich nach Geschlechtern getrennt worden. Mit fremden Männern ein Schlafzimmer teilen? Das brauchten wir nicht! Wir waren jung und in Gedanken schon auf der Insel. Mit ein paar Luftmatratzen hatten wir uns in einer entlegenen Ecke des Schiffes neben Schiffstauen eine provisorische Bleibe geschaffen.

Ein paar „Panini ripieni“, ein paar Flaschen „Cannonau“ und die Guitarre müssten ausreichen, aus diesem Seelenverkäufer das Vehikel unserer Träume zu machen. Euphorisch stimmten wir als erstes auch gleich einen Freddie-Song an:  „Deine Heimat ist das Meer, deine Freunde sind die Sterne“. Nie haben wir Seefahrer-Romantik lebendiger erfahren, als hier in dieser Stimmung aus Abgefahrensein und Ankommenwollen!  Vollauf glücklich widmeten wir uns Wein, Weib und Gesang und wechselten zu „Let it be“ von den Beatles.

ferry_sardinien

Kurz darauf setzte sich rappelnd und tutend der Dampfer in Fahrt. Jede Planke des Schiffes vibrierte. Welch höllischer Lärm! Wir mussten uns anstrengen, „All you need is love“ nicht vom Gegröle der Motoren übertönen zu lassen. Das klappte zum Glück, denn dieser Song ist wie kaum ein anderer geeignet, Stimmbändern und Lunge das letzte abzuverlangen. Wir waren die Helden und wir fühlten uns auch so, bis das Schiff richtig Fahrt aufnahm. Dann bliesen Fahrtwind und Schornstein rußig-schmierige Abgase genau in die Richtung unseres Lagers, und binnen weniger Minuten war es aus mit der Romantik. Missmutig verzogen wir uns ins Innere des Schiffes.

Das war meine erste Überfahrt nach Sardinien. (Um dem alten Seelenverkäufer nicht ganz Unrecht zu tun, sei angefügt, dass die Verlegung der Party ins Bootsinnere einen netten Nebeneffekt namens Nadja hatte. Die zauberte die Romantik zurück, und das Schöne war: Sie blieb mir lange treu, und sie war eine perfekte Lehrerin: In kürzester Zeit lernte ich spielend eine mir völlig unbekannte Sprache! Mein Gott, Freddie, wie wahr und wirklichkeitsnah sind doch Deine Seemannslieder!)

Ende gut, alles gut. Allerdings habe ich noch nichts vom Anfang vor dem Beginn berichtet.  Da galt es nämlich, zunächst erst einmal ein Fährenticket zu bekommen. Die gab es weder online noch in einem deutschen Reisebüro, sondern entweder am Fahrkartenschalter in Rom oder direkt an der Fähre in Civitavecchia.  Wir fuhren also auf Gut Glück nach Civitavecchia und hatten welches: Weil es erst Ende Juni war, mussten wir nur 4 Stunden warten, bis uns der freundliche Schalterbeamter half, unsere fehlenden Italienischkenntnisse in Fahrkarten zu verwandeln. Später erfuhren wir, dass man Ende Juli wenigstens (!) einen Tag und eine Nacht einkalkulieren muss, um eine Überfahrt zu ergattern.  Zum Glück sind diese Zeiten vorbei.

  

Heute gibt es viele Fähren, die täglich Sardinien ansteuern. Man kann am heimischen PC buchen, man kann sich aber auch an einen erfahrenen Fährenfachmann wenden, der in der Lage ist, den Tarifdschungel auf Anhieb zu überschauen und für den jeweiligen Interessenten das beste Ticket herauszufiltern. Oft ist das schwierig, besonders wenn sich nette Reisebüro-Mädels mit abwegigen Wünschen konfrontiert sehen. (Anhören! Garantiert lustig!) Es erübrigt sich zu sagen, dass die Fähren von heute nichts, aber auch rein gar nichts mehr zu tun haben mit den Dampfern des vorigen Jahrhunderts. Heute sind das komfortable Kreuzfahrer, die die Überfahrt zu einem unvergesslichen Erlebnis werden lassen.  Und wenn man dann eine Überfahrt noch immer für 200 EUR bekommen kann, dann ist das das doch ein Argument, dieses Verkehrsmittel zu wählen. Oder?

Mit einem sardischen „Adiosu“ verabschiedet sich für heute

Joachim Waßmann