Über Kommentare unter meinen Blog Beiträgen freue ich mich immer sehr. Entweder beantworte ich sie direkt oder ich mache einfach eine ganze Geschichte daraus, so wie aus diesem Kommentar zu meinem Silvesterbeitrag:

„Eine sehr erhellende Darstellung, mir noch total unbekannt. Wir hoffen ja auch, bald wieder auf die Insel zu kommen. Wenn nicht bloß immer diese Zeitschwierigkeiten wären, denn unter zwei Wochen wollen wir nicht fahren. Aber Sardinien begleitet mich ja immer, denn einige der Texte, die ich über die Insel geschrieben habe, sind aus meinen Lesungen nicht mehr wegzudenken.“

Genauso ein Lob hatte ich mir schon lange gewünscht!

Zusätzlich hat mich die Mail neugierig gemacht. Ein Stückeschreiber! Dichter und Poet? Es dauerte nicht lange, und ich hatte es herausgefunden: Jörg R. war zweimal in einem unserer Häuser zu Gast gewesen. Ja, bekam ich zu hören, eine seiner Poesien betrifft Sardinien und „sein“ Ferienhaus. Auf der Terrasse der 180/1 sitzend, floss ihm ein träumerisches und melancholisches Geschichtchen* aus der Feder, die seinem „Lieblingsbild für die Ewigkeit“ gilt. Jörg Reinhardt* hat mir beides zur Verfügung gestellt, und dafür danke ich ihm an dieser Stelle. Ich finde, es vorzustellen lohnt sich!

Niemand wird diesen kleinen Bungalow um seiner selbst willen verklären, aber wer auf seiner kuscheligen Terrasse sitzt und das besondere Panorama von Baia S´Anna erlebt, kann Jörg verstehen. Hier macht es Spaß, bei einem Gläschen Vino in den Abend hinein zu relaxen, zu meditieren oder einfach nur abzuhängen, ganz wie man will. Manch einen aber küsst die Muse.

Danke Jörg, dass Du mir Text und Foto zur Veröffentlichung überlassen hast! Bei meinem nächsten Besuch auf der Insel werde ich mich in der 180 einquartieren, auf die Terrasse setzen und hoffen, dass es mir wie Dir ergeht. Küsse sind mir willkommen, und wenn sie völlig vergeistigt sind: Umso besser!

Mit einem sardischen “Adiosu” verabschiedet sich für heute

Joachim Waßmann

*Jörg Reinhardt ist freier Schriftsteller. Am 8. März 2015 hat er eine Lesung in der Belziger Straße in Berlin. Ich denke, da gehe ich hin!

*Hier die Geschichte:

ORT ZUM STERBEN

Jeden Morgen habe ich hier oben gesessen, auf das Meer und den angrenzenden Wald gesehen und diese einzigartige Ruhe genossen. Eine Ruhe, die man hören kann und die gleichmäßig wie das Blut in den Venen durch meinen Körper strömt. Ein konstantes Fließen. Da habe ich gedacht, dass dies ein perfekter Ort zum Sterben wäre. Gottes Sechser in der Lebenslotterie. Und spekuliert, wie das wäre, wenn man wüsste, wann man dran ist. Sachen packen, herkommen und einschlafen.
„Ein wenig mehr Demut, mein Lieber“, grollt es hinter mir und ohne mich umzudrehen, spüre ich einen recht göttlichen Unmut. „Wenn alle so denken wie du, gäbe es keine Plätze wie diesen mehr.“
Schlechtgelaunt scharrt Gott mit den Füßen.
„Tschuldigung“, sag‘ ich, „ich hab‘ ja nur mal nachgedacht.“
„Was Nachdenken von euch anrichten kann, sieht man ja.“ Ein göttlicher Seufzer bringt ein paar Zweige zum Rascheln. „Ihr erfindet noch den Sterbetourismus“, Gott kommt in Fahrt, verstellt seine Stimme: „Ah, da hätten wir noch eine Hütte, hier einen Bungalow, da können Sie es sich im Jacuzzi bequem machen und hier ein Sterbebett zur Südseite oder mit Blick auf den FKK-Strand. All-inclusive wäre dann mit Abfahrt der Überreste und Überführung ins Heimatland. So was würdet ihr doch machen, oder irre ich mich?“, Gott schlägt mit der flachen Hand auf meinen Terrassentisch.
„Na ja“, sage ich kleinlaut, „so was Ähnliches würde bei der vorherrschenden Mentalität der Menschen wohl herauskommen. Nicht ganz einfach, gebe ich zu.“
„Nicht ganz einfach, nicht ganz einfach“, äfft Gott mich nach, „man könnte ja ab und zu ein Auge zudrücken, aber bei eurem augenblicklichen Glaubens- und Entwicklungsstand liegt ihr Jahrtausende von der Gewährung einer Gnade entfernt. So sieht das aus“. Gott nimmt ein himmelblaues Taschentuch und schneuzt sich. Ich bilde mir ein, irgendwo ein Donnergrollen zu hören.
„Ja, das verstehe ich, es hat wohl auch keinen Sinn, darüber zu diskutieren.“
„Ha“, ruft Gott entrüstet, „jetzt kommst du mir wie diese Bischöfe, die neulich darüber diskutieren wollten“, beim Wort „Diskutieren“ verzieht er angewidert das Gesicht, „ob ich ihnen nicht vergeben könnte, dass sie kleinen Jungs an den Hintern gefasst und noch einiges Ekliges mehr gemacht haben.“
Das ist interessant, ich höre genau hin und als er nicht weiterspricht, frage ich zaghaft: „Und?“
„Was und? Was meinst du denn? Mit Gott diskutiert man nicht, das wäre ja wohl das Allerletzte. Ich hab‘ denen aber schon mal angedeutet, wo sich ihr Ende abspielen wird. In jedem Fall nicht hier“, und er macht eine halbkreisrunde Bewegung mit dem Arm.
„Ach, und wie und wo?“ Na, ich traue mich ja was, aber schließlich hat Gott sich zu mir an den Tisch gesetzt. Er lacht. „Du bist wohl komplett verdreht, mein Sohn. Sag‘ ich dir doch nicht, du bist ja noch nicht mal ’n Jünger oder ein Apostel.“
Wir blicken schweigend aufs Meer. Bei diesem Anblick beruhigt sich sogar Gott wieder. Wir sitzen eine ganze Weile so da. Plötzlich fällt mir ein, dass ich ihm noch gar nichts angeboten habe. Manche Gäste kommen einfach zu überraschend und ich kann mich vom Ausblick auf das Meer nicht losreißen. Es sieht – göttlich aus.
„Mmmh“, brummt Gott. „Wirklich ein guter Ort zum Sterben, hast ganz recht. Setz‘ dich mal gerade hin und schau‘ eine Minute ganz konzentriert nur auf dieses Bild.“
Ich bleibe ruhig sitzen und konzentriere mich auf diesen Ausschnitt, den ich sehen kann. Der Patio mit dem Baum, ein kleines Stück vom Haus, der Pinienwald unter mir, dann das ruhige Meer, die Sonne und der Horizont. Dazu höre ich von weitem leichtes Wellenschlagen und im Strauch hinter mir Vogelgezwitscher. Nach einer Minute sagt Gott: „Jetzt mach‘ deine Augen zu.“ Ich schließe die Augen. Er fragt: „Was siehst du?“ „Dasselbe, was ich eben mit offenen Augen gesehen habe“, antworte ich, ziemlich aufgeregt. Er gibt mir einen kleinen Stups in die Seite. „Geht doch“, höre ich und als ich die Augen wieder aufschlage, ist er weg.
Als ich ein paar Tage später am Taxistand des Flughafens auf ein freies Taxi warte, schließe ich die Augen und da ist es, ganz schnell und ohne Anstrengung – mein Lieblingsbild für die Ewigkeit.
Ein Taxifahrer wuchtet meinen Koffer in seinen Wagen und ich höre, wie er fragt: “Wollen Sie auch in den Kofferraum oder lieber nach vorne?“
Ich muss lachen, sehe nach oben in den wolkenverhangenen Großstadthimmel, winke kurz und sage ganz laut: „Ja, es geht!“