Ich hatte schon in meinem Schildkrötenblog davon berichtet, auf welche tierischen Überraschungen man in Sardinien gefasst sein muss. Was aber sagen Sie dazu: Hatten Sie schon einmal das Vergnügen, Ihren Pool mit einem Wildschwein teilen zu müssen? – So ein Unsinn geht nicht? – Geht doch! Lesen Sie hier:

Das Wetter gegen Ende März/Anfang April ist in Sardinien keineswegs – wie bei uns – der Auftakt zu launisch-üblem Winterausklangwetter. Im Gegenteil, meistens ist es warm und für unser Empfinden richtig sommerlich. Ich beschloss daher, schwimmen zu gehen und teilte das meinem Freund Pino mit, den ich eigentlich hatte treffen wollen.

Sarden sind, was Termine und Verabredungen anbetrifft, durchaus flexibel, und darum signalisierte er mir ohne wenn und aber sein Einverständnis. Minuten später rief ich ihn erneut an und meldete, dass Schwimmen unmöglich sei: „Der Pool ist leider besetzt.“ Ein Schwein schwimme darin umher. Am Ende der Leitung herrschte erst Schweigen. Er sagte ein paar endlos lange Sekunden gar nichts.

Damit hatte er offenbar nicht gerechnet. Dann, und noch immer war ihm die Überraschung anzumerken, hakte er nach: „Un animale? Maiale, cinghiale?“ – „Ein Wildschwein“, präzisierte ich, „ein kapitaler Keiler!“ Auf die Frage, warum der Keiler baden gegangen sei, mutmaßte ich, dass das Tier wohl Pool mit Suhle verwechselt hätte. Nein, das Biest lebe. Es sei nicht ertrunken, erklärte ich auf weiteres Nachfragen, es schwimme noch immer munter im Pool herum. Gut gelaunt sei es nicht. Im Gegenteil, es mache einen eher unwilligen Eindruck. Vorsicht sei geboten.

„Trommle Deine Freunde zusammen! Ich brauche Hilfe. Sofort!“, war meine Botschaft an ihn. Pino sagte zu, Jäger zu alarmieren und das Untier aus dem Pool zu angeln. Ich setzte mich also gemütlich auf die Terrasse, genehmigte mir ein Gläschen und wartete ab.

Kurze Zeit später sah ich sie. Zwei Autos kamen mit Vollgas die enge Straße hoch nach Luttuni gebraust und hielten mit quietschenden Reifen vor meiner Finca. Sieben Waidmänner, mit Flinten, Seilen und Enterhaken bewaffnet sprangen heraus.

„Ist es noch da?“ wollten Sie wissen. Ich versuchte die Aufgeregten zu beruhigen: „Piano! So geht das nicht. Ihr seid viel zu hektisch. Kommt erst einmal auf die Terrasse und beruhigt euch! Wir müssen überlegen, wie wir das am besten anstellen! Das Wildschwein schwimmt uns schon nicht weg.“ Das überzeugte die Jagdgesellschaft.

Wir setzten uns. Ich spendierte einen Beruhigungstrunk und beantwortete bereitwillig ihre Fragen. Sie wollten alles wissen. Ich antwortete, so gut ich konnte, und als man sich erhob, um das Waidgeschäft zu erledigen, fragte ich ganz beiläufig, welches Datum heute sei. Das interessierte aber gar keinen mehr; denn die sieben Sarden waren schon mit Gewehr im Anschlag unterwegs in Richtung Pool.

Nach wenigen Minuten kamen sie enttäuscht zurück. „Das Mistvieh ist abgehauen. Warum hast du das cinghiale laufen gelassen? Wohl Schiss gehabt und Dich im Haus verbarrikadiert, was?“ Sie kehrten so richtig die unerschrockenen Waidmänner raus und ließen den Tedesco fühlen, was er und überhaupt alle Deutschen für Hasenfüße seien. „Es hätte doch gereicht, wenn Du das Vieh gezwungen hättest, im Pool zu bleiben. War doch nicht zuviel verlangt. Darauf solltest du doch aufpassen“, warfen sie mir vor.

„Stimmt“, verteidigte ich mich. „Ihr hättet aber auch besser aufpassen sollen! Hatte ich euch nicht gerade nach dem Datum gefragt?“ Irgendwie schienen sie den Zusammenhang nicht zu kapieren. Sie blickten völlig verständnislos in die Runde. Doch dann dämmerte es ihnen.

Es war nämlich der 1. April, und der wird in Sardinien genauso begangen wie bei uns. Als die Jäger das realisierten, war die Enttäuschung zunächst groß. Aber nicht lange. Man kündigte an, sich für diesen Scherz revanchieren zu wollen und trank mit mir, nunmehr wieder bestens gelaunt, auf die gelungene Fahrt in den April.

Die Revanche ist bislang ausgeblieben. Zum Glück. In Budoni aber sorgt das Jagdabenteuer mit dem badenden Wildschwein alle Jahre wieder am 1. April für Heiterkeit. Und das ist ja auch der Sinn des In-den-April-Schickens!

Mit einem sardischen “Adiosu” verabschiedet sich für heute

Joachim Waßmann

PS. Bleiben zwei Fragen zu klären:

Wo ist das passiert? – Im Haus 115/2!

Warum wurde gerade der 1. April allerorten zum Verarsche-Tag? – Ganz sicher ist es kein heidnisches Fest wie das Antoniusfeuer. Sicher hat es auch nichts mit durchgeknallten Kirchenfürsten zu tun. Vielleicht hat es einen profanen Ursprung, und das ist vermutlich richtig. Dazu gibt es mehrere Theorien. Eine besonders kuriose berichtet, wie ein waschechter König in den April geschickt wurde:

Quod licet Iovi non licet bovi! Dieses lateinische Zitat besagt nichts anderes, als dass Herrscher „omni-potent“ und an keine Konventionen gebunden sind. Am Beispiel des amerikanischen Präsidenten Bill Clinton und seinem amourösen Abenteuer konnten wir das vor wenigen Jahren ja genüsslich verfolgen. Was Wunder, dass sich auch frühere Kaiser und Könige wie Heinrich IV dieses Recht herausnahmen! Der war von 1589 – 1510 König der Franzosen. Dieser Heinrich trieb es mit seinem Heini besonders toll. Heutzutage würden wir ihn als Hurenbock bezeichnen, oder positiv neudeutsch Womanizer nennen. Er war beides, sehr zum Leidwesen seiner italienischen Gemahlin aus dem Hause Medici.

Die Hintergründe dessen, was an einem 1. April seiner Regentschaft geschah, bleiben bis heute im Dunkeln. Jedenfalls bekam besagter Heinrich ein Billet zugespielt, in dem eine 16-jährige Jungfer darum bat, ihm in einem seiner Lustschlösser zu Willen sein zu dürfen. Welcher Mann hätte einem solchen Ansinnen widerstehen können? Schon Bill hat´s nicht gekonnt, der Bock von Babelsberg nicht, und der gute Heinrich ein paar Hundert Jahre früher schon gar nicht. Der war ja immerhin – im Gegensatz zu den Vorgenannten –  ein von Gott eingesetzter Souverän. Als solcher stand er über den Dingen und übte lediglich das gottgewollte Penetrierungsprivileg aus.

Als Heinrich das als Treffpunkt vereinbarte Oral Office betrat, erwartete ihn dort nicht etwa eine leicht bekleidete Schöne, sondern seine Ehefrau Maria von Medici mit dem gesamten Hofstaat. Die wiederum bedankte sich bei ihm artig, dass er ihrer Einladung zum Narrenball gefolgt sei und bat ihn zum Eröffnungstanz. Heinrich musste gute Miene zu bösem Spiel machen, und so wurde der 1. April als das geboren, was er noch heute ist: Der Welt-Verarsche-Tag!

Mit einem sardischen “Adiosu” verabschiedet sich für heute

Joachim Waßmann