Wer meinen Blog liest, wird bestätigt finden, dass Sardinien immer wieder für ungewöhnliche Erlebnisse gut ist. Diese Geschichte ist ein weiteres Beispiel. Sie erzählt, wie ich in den Besitz eines einzigartigen Dokuments gekommen bin.

Es war der 1. September 1997. Vor wenigen Tagen noch hatte Lady Di bei meiner Freundin und Starköchin Rita Denzer im Ristorante Gallura gespeist und war dann, wir wissen das alle, vom Airport Olbia nach Paris geflogen und dort verunglückt. Während damals die ganze Welt noch in heller Aufregung war, das Unglück bedauerte und mit ihrem Tod haderte, bat mich mein Freund Salvatore zu sich.

Nach der üblichen Begrüßungszeremonie setzte er eine Miene auf, die ich nicht von ihm kannte. Er wurde ganz ernst, legte mir ein paar DIN-A4-Blätter auf den Tisch und fragte mich, was ich davon halte. Es seien Kopien, die es nur in einer einzigen Ausfertigung gäbe. Da wir nie auch nur ein einziges Mal schriftlich verkehrt hatten, war ich einigermaßen verblüfft. Was hatte er da? Was veranlasste ihn, mich deswegen zu sich zu bitten?

„Herrjeh, das ist ja eine Passkopie von Lady Di“, staunte ich nicht schlecht, „wo hast Du die denn her?“ Ich wusste, dass Salvatore als Carabiniere Dienst auf dem Flughafen von Olbia tat und als solcher mit der Passkontrolle zu tun hatte. Der Ursprung schien damit geklärt. Ich nahm die Kopien in die Hand, las und traute meinen Augen nicht: Als „Nationalität“ war da nicht etwa das Übliche, also z.B. „Deutsch,“ „Italienisch,“ „Englisch“ oder meinetwegen auch „Britisch“ angegeben, sondern „Mitglied des Königshauses“.

„Eine Extrawurst für die Princess und ihren Anhang also. Soll sie haben! Eine Marotte halt, die den Bürger nichts kostet,“ überlegte ich gönnerhaft. Es kam aber noch besser: Jeder Normalsterbliche unterschreibt seinen Pass mit dem kompletten Vor- und Nachnamen, ich zum Beispiel mit dem sperrigen „Joachim-Otto Waßmann“. Für die Lady schien das aber nicht zu gelten; denn die Princess of Wales firmierte schlicht mit „Diana“. Den ganzen anderen Quatsch schenkte sie sich. „Das ist echte Bescheidenheit“, lobte ich sie im Stillen, „die will nicht mit tausend Titeln angeben, und schließlich ist sie ja im Gegenteil zu mir bekannt wie ein bunter Hund!“

Wie zur Bestätigung erklärte mir Salvatore jetzt, dass sie vor wenigen Tagen zum Airport Olbia gekommen sei, um nach Paris einzuchecken. Schon von weitem hatten er und die dienstführenden Beamten sie erkannt. Man erlebe es oft, dass Royals, Politiker und Promis hier passierten; denn schließlich gäben die sich regelmäßig an der Costa Smeralda ein „Stelldichein“. Nicht ohne Stolz listete er die Namen der Zelebritäten auf, die er schon abgefertigt hatte. Sie war so lang, dass ich beim letzten nicht mehr wusste, mit wem er angefangen hatte.

Es sei bei allen Beamten üblich, fuhr er fort, dass einwandfrei zu identifizierende Personen passieren dürften, ohne ihren Pass vorweisen zu müssen. Man kenne sie, meist von mehreren Besuchen und winke sie durch, ohne sie mit irgendwelchen Kontrollen zu behelligen.

Nicht so dieses Mal. Als hätte der abfertigende Beamte eine Vorahnung, ließ er sich zur Überraschung seiner Kollegen und meines Freundes Salvatore den Pass von Lady Di zeigen und verschwand damit im Büro. Später brüstete er sich vor seinen Kollegen, dass er den Pass kopiert habe, um ihn bei Gelegenheit gegen gutes Geld der Presse zuzuspielen.

Keiner in der Kontrolle, versicherte mir Salvatore, habe dafür Verständnis gehabt. Der Kollege, führte er zur Entschuldigung an, sei aber kein Sarde und erst vor kurzen nach Olbia versetzt worden. Ein Sarde hätte so etwas nie getan. Er jedenfalls hätte Di und Dodi unkontrolliert und unkopiert ziehen lassen. Ich fand das eine so falsch wie das andere, verzichtete aber auf eine Bemerkung.

Da lag nun also das missbilligte Dokument im Fach des Kollegen. Als Lady Di zwei Tage später tödlich verunglückte, bekam die Passkopie ganz plötzlich eine nicht vorhersehbare Brisanz. Man kann sich vorstellen, dass die Paparazzi nach so etwas gieren würden. Das Kalkül des listigen Carabiniere schien schneller aufzugehen, als er sich das hätte träumen lassen.

Allerdings hatte er die Rechnung ohne meinen Freund Salvatore gemacht. Der empfand das Vorhaben, mit Lady Di´s Tod jetzt richtig Geld scheffeln zu wollen, als höchst unmoralisch und stibitzte das Dokument. „Das war natürlich auch nicht in Ordnung“, verteidigte er sich mir gegenüber, aber er habe keine andere Wahl gehabt. Er bat mich, das Corpus Delicti bis auf weiteres zu verwahren, es aber auf gar keinen Fall noch einmal zu kopieren und es auch an niemanden zu verkaufen. Ich versprach es ihm.

So lagert Lady Dianas Passkopie noch heute in meinem Raritätenkabinett. Vor kurzem stieß ich zufällig darauf und bat Salvatore, darüber in diesem Blog berichten zu können. Er hat es mir erlaubt.

Mit einem sardischen “Adiosu” verabschiedet sich für heute

Joachim Waßmann

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