Meine Leser wissen: Sardinien hat viele Superlative und hält so manchen Rekord. Über einen eher unrühmlichen muss ich leider heute berichten. Ich stelle ihn unter das Motto „Gut Ding will Weile haben“ oder „Wir arbeiten daran“.

Es geht um Behörden und Bauen. Verdienten sich die Bauherren in meinem amüsanten Artikel „Die Brücke“ einen Schnelligkeitsrekord, ist es dieses Mal genau umgekehrt:

Wieder geht es um Straßenbau. Dieses Mal aber um die wichtigste Straße der Insel, die SS 131, auch „Carlo Felice“ genannt. Diese Schnellstraße bildet das Rückgrat des sardischen Straßennetzes. Über sie wird Sardinien straßentechnisch bis in die letzten Winkel erschlossen.

Klar, dass diese wichtige Nord-Süd-Achse gut ausgebaut werden muss. Die Behörden haben daher – genau wie bei uns – für einzelne Straßenabschnitte Baulose ausgeschrieben. Den Rest muss man sich auf der Zunge zergehen lassen:

Wenn wir voraussetzen, dass die Arbeiten am ersten Baulos in dem Tempo weitergehen, das bislang „vorgelegt“ wurde, dann wird dieser Straßenabschnitt – man höre und staune – in 33 Jahren fertiggestellt!

Nun ja, die Carlo Felice ist kein Bürgersteig, und schon gar nicht ein unbedeutendes Landsträßchen. Je nach Länge und Schwierigkeitsgrad kann so ein Abschnitt schon eine Herausforderung sein, die seine Zeit braucht. Gut Ding, das wissen wir, will halt Weile haben.

Allerdings: Das fragliche Baulos ist nur 8415 Meter lang und nicht mit besonderen technischen Tücken behaftet. Wohl aber mit bürokratischen, und die haben dazu geführt, dass sich der durchschnittliche Baufortschritt wie folgt bemisst: Pro Jahr ganze 191 Meter und 25 Zentimeter! Wer es in Monat und Tag wissen will: 15 Meter pro Monat, 70 Zentimeter am Tag! Das hat der ital. Rechnungshof auf über 100 Seiten Ermittlungsbericht akribisch aufgelistet. Auch, dass hier Unternehmen der Zuschlag erteilt wurde, deren fachliche und wirtschaftliche Kompetenz besser hätte geprüft werden müssen. Die staatliche Straßenbehörde ANAS aber weist alle Schuld weit von sich. Man habe durchaus geprüft, aber …

Man darf vermuten, dass bei der Vergabe längst nicht alles mit rechten Dingen zugegangen ist. Sich darüber aufzuregen, wäre fehl am Platze, denn auch bei uns verläuft die Auftragsvergabe keineswegs immer koscher. Aber mit einem Rekord von 191 Meter pro Jahr können wir nicht aufwarten. Die vermutlich langsamste Baustelle der Welt wird den Steuerzahler nach Fertigstellung rund 33 Millionen Euro gekostet haben.

Da lobe ich mir die geheimen Brückenbauer aus Olbia. Die haben dem Steuerzahler eine Brücke zum Nulltarif erstellt!

Mit einem sardischen “Adiosu” verabschiedet sich für heute

Joachim Waßmann