Wer glaubt, nur die Costa Smeralda sei Tummelplatz der Schönen, der Reichen und derer, die sich für das Eine, das Andere oder für Beides halten, der irrt. Reich und schön ist Sardiniens Natur überall, und darum ist es nur natürlich, dass Promis ganz Sardinien zu ihrer Spielwiese erklären. Die Sarden nehmen das gelassen. Für sie ist Mensch gleich Mensch, ungeachtet von Hautfarbe, Geschlecht, Religions- und Parteienzugehörigkeit, wie es so schön in Grundgesetz und Verfassung heißt. Auch Geld und Schönheit helfen da nicht weiter, wie Tom Cruise erfahren musste.
San Pietro ist ein kleines Eiland im Süden der Insel, kleiner als z.B. Sylt. 6200 Menschen leben hier, überwiegend in der Hauptstadt Carloforte. Die Straßen in der City sind schmal und verwinkelt. Die Maßnahme des Bürgermeisters, die Altstadt von Straßenverkehr zu befreien, war ebenso richtig wie überflüssig: Selbst kleine Vespas geraten hier an ihre Grenzen, und zusätzlich versperren immer wieder Treppen und Stufen die Durchfahrt. Carloforte entspricht ziemlich genau dem Bild, das Mitteleuropäer sich von Süditalien machen. Es geht gemütlich zu, und es ist romantisch.

Ja, es gibt Touristen. Sie bilden aber eine verschwindende Minderheit. Die Hotels kann man an zwei Händen abzählen. Dazu gibt es ein paar Pensionen und Ferienhäuser. Die meisten gehören Festland-Italienern, die sie als Sommerquartiere nutzen und nur den August hier verbringen. Selbstverständlich fehlen auch Restaurants nicht, denn kein Italiener verzichtet auf seinen „Da Mimmo“, „Da Pino“ und wie sie da alle heißen.

An diesem Punkt kommt Tom Cruise ins Spiel. Eine der Trattorien, das „Da Nicolo“, ist so berühmt, dass die Reichen der Costa Smeralda mit ihren Jachten nach San Pietro jachten, um hier einzukehren.

So auch Tom Cruise. Wohlgemut hatte er die kleine Insel in Südsardinien angesteuert und hatte seine Jacht verlassen, um Antonello Pomata mit seinem Besuch zu beehren. Der fühlte sich zwar geehrt, fragte ihn aber kühl nach seiner Reservierung. Damit konnte Tom aber nicht dienen, und weil im August das Lokal regelmäßig ausgebucht ist, erklärte Herr Pomata seinem prominenten Gast, das nichts zu machen sei. Heute nicht, morgen nicht und in der kompletten kommenden Woche auch nicht.

Pomata weiß, wie es weiterging. Er spreche zwar eigentlich nie über seine Promis, versicherte er treuherzig, aber Toms Reaktion sei es wert, nicht in Vergessenheit zu geraten:

Obwohl ohne Tisch und ohne Stuhl, studierte Cruise die Speisekarte, um dann – wie bei McDonald im Schnellimbiss – zu bestellen: Rind mit Pecorino-Kruste, Tempura-Crêpes gefüllt mit Muscheln und Scampis, Filet vom St. Petersfisch mit Babykartoffeln sowie Mozzarella-Tomaten mit Basilikum.

Die Küche nahm die Bestellung auf, aber keiner der Kellner war bereit, seine Tischgäste zu vernachlässigen, um Tom Cruise zu Willen zu sein. Es half kein Protest, kein Hinweis auf seine Prominenz: Tom Cruise und seine Mannen mussten ihr Menü eigenhändig aufs Boot bringen. Das einzige Entgegenkommen Pomatas bestand darin, spät am Abend das Geschirr abzuholen …

Anderswo hätten andere Restaurantchefs vielleicht Zusatztische organisiert oder ein paar Gäste hinauskomplementiert. Anders Pomata: „Einen Prominentenbonus gibt es auf San Pietro nicht. Hier interessiert keinen, was der andere zu Hause macht und wer er ist. Ein Millionär – na und? Ein Werftarbeiter – warum nicht? Hauptsache, alle sind glücklich.“

Diese Anekdote habe ich in Spiegel Online gefunden. Eine nette, leicht absurde Geschichte, hinter die ich ein Fragezeichen setzen würde. Aber wie lautet noch das italienische Sprichwort: Se non è vero è almeno ben trovato!

Wer dazu mehr erfahren möchte, liest meinen Artikel: “Was wir von Italiens Enten lernen können”.

Richtig ist: Sarden nehmen Promis nicht besonders wichtig. Sie gehören zwar zur Insel wie der Islam zu Deutschland, einen Sonderstatus aber gibt nur im Rahmen sardischer Gastfreundschaft. Die gilt für alle Nichtsarden, und zwar ungeachtet aller Standesunterschiede. (Sardische Gastfreundschaft ist so ungewöhnlich, dass ich ihr einen Blog gewidmet habe.)

Mit einem sardischen “Adiosu” verabschiedet sich für heute

Joachim Waßmann