Nachdem ich mit „Stella Maris“ in Porto Cervo eine moderne Kirche vorgestellt habe, setze ich die Reihe mit Santa Sarbana fort. Die stammt aus dem 11. Jahrhundert. Die geradezu protestantisch-schlicht anmutende Kirche gehört zu den schönsten Fotomotiven Sardiniens. Mich allerdings bringt das Gotteshaus ins Grübeln.

Als sie erbaut wurde, hatte Byzanz das Sagen in Sardinien. Die dreigliedrige Kirche wurde in unmittelbarer Nähe einer Nuraghe erbaut, die dort schon seit zweitausend Jahren die Landschaft dominiert. Das hat bestimmt eine Bedeutung. Santa Sarbana, ähnelt frühchristlichen Taufkirchen. Hier gibt es aber zwei zusätzliche Teile, nämlich ein Consignatorium für die Erteilung der heiligen Firmung und ein Vestianum für weitere Weihen bzw. Sakramente. Sollte das Gotteshaus der Christianisierung gedient haben? Immerhin konnte man hier in einem Durchgang aus Heiden vollwertige Christen produzieren.

Santa Sarbana, der heiligen Sabina geweiht, vereint – weithin sichtbar – byzantinische und romanische Stilelemente. Das macht sie so anders, so sympathisch, so überaus fotogen.

Den Archäologen aber waren Besonderheiten an der Kirche aufgefallen. Als der rechte Seitenraum 1935 rekonstruiert wurde, nahmen sie die Gelegenheit wahr, unter der Kirche zu graben. Ergebnislos. Die Forscher hatten vermutet, dass es neben der Nuraghe im Bereich der Kirche eine heidnische Kultstätte wie z.B. ein Hünengrab gegeben haben müsste. Zwei Eigentümlichkeiten hatten diesen Schluss nahegelegt. Da gab es die Basaltblöcke des Kirchenbodens. Die stammten zweifelsfrei aus der Nuraghe. Und es gab behauhene Steine noch älteren Ursprungs im Mauerwerk der Kirche, die nicht aus der Nuraghe stammen konnten. Es muss also ein zweites Bauwerk neben der Nuraghe gegeben haben, von dem es keine Spuren mehr gibt. Verbirgt sich dahinter eine Tragödie?

Das Schleifen gegnerischer Bauten ist ein bis heute von Siegern gepflegter Brauch. Genauso ist es üblich, Baumaterial der Besiegten bzw. Bekehrten für eigene Tempel zu verwenden, um mit der Vernichtung des anderen die Wahrheit des eigenen Machtanspruchs zu „zementieren“.

Genau das ist hier passiert. Die Byzantiner hatten offenbar ganze Arbeit geleistet und die heidnische Kultstätte restlos vernichtet. Sie sollte zur damnatio memoriae verurteilt werden. Auch das ein bis heute übliches Vorgehen. Für mich steht daher fest:
Santa Sarbana hat noch im 11. Jahrhundert der Christianisierung gedient, zu einem Zeitpunkt also, zu dem Resteuropa längst der Kirche unterworfen worden war. Sagenhaft:
Meine Sarden, die Hirten der Barbagia haben sich der Bekehrung länger als die widerspenstigen Wikinger widersetzt, bevor sie mit Kreuz und Schwert eines besseren belehrt wurden!

All das erzählt mir dieses anheimelnde, schlicht schöne Kirchlein. Wie viel Blut, heilige Sabina, ist geflossen, um die Ureinwohner eines Besseren zu belehren? Das verraten deine Steine leider nicht. Aber vielleicht ist das auch gut so.

Mit einem sardischen “Adiosu” verabschiedet sich für heute

Joachim Waßmann